Wenn ein Wohnungseigentümer in die Insolvenz gerät, stehen Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) und Insolvenzverwalter oft vor der gleichen Frage:
Wer trägt das Wohngeld – der Eigentümer oder der Insolvenzverwalter?
Die Antwort hängt davon ab, wann die Forderung entsteht und ob die Immobilie Teil der Insolvenzmasse bleibt oder vom Insolvenzverwalter freigegeben wird.
Dieser Beitrag erklärt Schritt für Schritt, wie die Rechtslage wirklich aussieht, und bietet Praxisbeispiele und Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Orientierung.
🔹 Was bedeutet „Wohngeld“ im Wohnungseigentumsrecht?
Das sogenannte Wohngeld (auch Hausgeld) ist der monatliche Beitrag, den jeder Wohnungseigentümer an die WEG zahlen muss.
Es deckt die laufenden Kosten für:
- Heizung, Wasser, Müllabfuhr und Versicherungen,
- Verwaltungskosten,
- Instandhaltungsrücklage.
Zahlt ein Eigentümer nicht, entsteht für die Gemeinschaft schnell ein finanzielles Problem – insbesondere, wenn der Eigentümer insolvent ist.
🔹 Eröffnung des Insolvenzverfahrens – was passiert mit dem Wohngeld?
Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 27 InsO) verliert der Schuldner das Recht, über sein Vermögen zu verfügen.
Ab diesem Moment ist der Insolvenzverwalter zuständig und entscheidet, ob die Immobilie Teil der Insolvenzmasse bleibt oder freigegeben wird (§ 35 Abs. 2 InsO).
Davon hängt ab, wer das Wohngeld zu zahlen hat.
🔹 1. Zeitraum vor der Insolvenzeröffnung: Eigentümer bleibt Schuldner
Alle Wohngeldforderungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig wurden, gelten als Insolvenzforderungen (§ 38 InsO).
Das bedeutet:
- Die WEG kann diese Forderungen nur zur Insolvenztabelle anmelden.
- Eine Vollstreckung gegen den Eigentümer ist nicht mehr zulässig (§ 89 InsO).
- Der Insolvenzverwalter ist nicht verpflichtet, diese Rückstände aus der Masse zu zahlen.
👉 Beispiel:
Die Insolvenzeröffnung erfolgt am 01.01.2025, das Wohngeld für November und Dezember 2024 bleibt unbezahlt.
→ Diese beiden Monatsbeträge sind Insolvenzforderungen, die zur Tabelle angemeldet werden müssen.
🔹 2. Zeitraum nach der Eröffnung, aber vor der Freigabe: Insolvenzverwalter zahlt
Solange die Wohnung zur Insolvenzmasse gehört, ist der Insolvenzverwalter für deren Verwaltung verantwortlich.
Alle Kosten, die in dieser Zeit anfallen, sind Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO).
Dazu gehört auch das laufende Wohngeld.
Der Insolvenzverwalter muss also das Wohngeld aus der Masse zahlen, solange er die Immobilie verwaltet oder Mieteinnahmen daraus zieht.
👉 Beispiel:
Die Insolvenzeröffnung erfolgt am 01.01.2025, der Verwalter gibt die Wohnung erst am 01.03.2025 frei.
→ Für Januar und Februar 2025 ist das Wohngeld vom Insolvenzverwalter zu zahlen (Masseverbindlichkeit).
🔹 3. Ab Freigabe der Wohnung: Eigentümer wieder zahlungspflichtig
Erklärt der Insolvenzverwalter die Freigabe der Wohnung (§ 35 Abs. 2 InsO), gehört sie nicht mehr zur Insolvenzmasse.
Damit endet auch die Verwaltungspflicht des Insolvenzverwalters.
Ab diesem Zeitpunkt ist der Insolvenzschuldner (Eigentümer) wieder selbst für die Immobilie verantwortlich – inklusive Wohngeldzahlungen.
Diese neuen Verbindlichkeiten entstehen nach der Freigabe und sind keine Masseverbindlichkeiten mehr, sondern persönliche Schulden des Eigentümers.
👉 Beispiel:
Der Insolvenzverwalter gibt die Wohnung am 01.03.2025 frei.
→ Ab März 2025 ist das Wohngeld wieder vom Eigentümer selbst zu zahlen.
Die WEG kann die Zahlung direkt von ihm fordern.
🔹 4. Übersicht: Wer zahlt wann das Wohngeld?
| Zeitraum | Zahlungspflichtiger | Rechtsgrundlage | Anmerkung |
|---|---|---|---|
| Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens | Eigentümer (Schuldner) | § 38 InsO | Insolvenzforderung, Anmeldung zur Tabelle |
| Nach Eröffnung, bis zur Freigabe | Insolvenzverwalter | § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO | Masseverbindlichkeit |
| Ab Freigabe der Wohnung | Eigentümer (wieder selbst) | § 35 Abs. 2 InsO | Neue persönliche Schuld, nicht insolvenzfrei |
🔹 5. Vermietete Eigentumswohnung: Wer trägt das Wohngeld?
Ist die Wohnung vermietet, kommt es darauf an, wer die Mieteinnahmen zieht:
- Solange der Insolvenzverwalter die Miete vereinnahmt, muss er auch die laufenden Kosten (Wohngeld) ausgleichen.
- Gibt er die Wohnung frei, gehen die Mieteinnahmen an den Schuldner über – und dieser trägt ab dann auch wieder das Wohngeldrisiko.
🔹 6. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
Die höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigt diese Aufteilung:
- BGH, Urteil vom 21.07.2011 – IX ZR 120/10:
→ Wohngeldforderungen, die nach der Verfahrenseröffnung entstehen, sind Masseverbindlichkeiten, solange die Immobilie Teil der Masse bleibt. - BGH, Urteil vom 09.12.2010 – IX ZR 60/10:
→ Nach der Freigabe haftet wieder der Eigentümer persönlich – keine Masseverbindlichkeit mehr.
Diese Entscheidungen schaffen Klarheit für WEG-Verwalter und Insolvenzverwalter gleichermaßen.
🔹 7. Praxis-Tipp für Wohnungseigentümergemeinschaften
WEG-Verwalter sollten nach der Insolvenzeröffnung rasch Kontakt zum Insolvenzverwalter aufnehmen und klären:
- Gehört die Wohnung zur Masse oder wurde sie freigegeben?
- Ab welchem Zeitpunkt besteht die Freigabe?
- An wen sind laufende Hausgeldforderungen zu richten?
Nur so lassen sich Zahlungsansprüche korrekt zuordnen und doppelte Forderungen vermeiden.
🔹 Fazit: Klare Trennung nach Zeitpunkten
| Zeitpunkt | Verantwortlich für Wohngeld |
|---|---|
| Vor der Insolvenzeröffnung | Eigentümer (Forderung zur Tabelle anmelden) |
| Während der Massezugehörigkeit | Insolvenzverwalter (Masseverbindlichkeit) |
| Nach der Freigabe | Eigentümer (neue persönliche Schuld) |
Die Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters ist also der entscheidende Wendepunkt:
Ab diesem Moment endet die Massehaftung, und der Schuldner trägt wieder alle laufenden Lasten selbst.
📞 Rechtliche Unterstützung bei Immobilieninsolvenzen
Wenn Sie als Wohnungseigentümer, WEG-Verwalter oder Insolvenzverwalter Fragen zur Haftung bei Wohngeld, Freigabeerklärungen oder Masseverbindlichkeiten haben, unterstützen wir Sie gern.
Rechtsanwalt Brandt – Fachanwalt für Insolvenzrecht
Telefon: 03 82 03 / 74 50 20
Mehr Informationen: www.rain-brandt.de
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