In vielen deutschen Kommunen lässt sich seit Jahren ein besorgniserregender Trend beobachten: Einnahmen aus kommunalen Leistungen oder Infrastrukturen werden zunehmend privatisiert, während gleichzeitig Ausgaben – selbst für Bereiche, die wirtschaftlich erschließbar wären – in der kommunalen Verantwortung verbleiben. Dieses Missverhältnis gefährdet nicht nur die Erfüllung kommunaler Pflichtaufgaben wie die Sanierung von Schulen und Sporthallen. Es wirft auch schwerwiegende rechtliche und haushaltswirtschaftliche Fragen auf.
Was bedeutet es, wenn Kommunen Einnahmen privatisieren und Ausgaben kommunalisieren?
Privatisierung von Einnahmen bedeutet, dass beispielsweise Einnahmen aus Parkraumbewirtschaftung, Energieversorgung oder Abfallentsorgung an private Unternehmen übertragen werden. Die Kommune erhält – wenn überhaupt – nur einmalige Verkaufserlöse, verzichtet aber dauerhaft auf künftige Einnahmeströme.
Gleichzeitig bleibt sie für viele Aufgaben weiterhin zuständig. Diese sogenannten kommunalen Pflichtaufgaben wie z. B. die Unterhaltung von Schulen, Sportstätten, Straßen oder Verwaltungsgebäuden müssen erfüllt werden – unabhängig davon, wie schlecht es um die Kasse der Kommune steht.
Wenn Kommunen Ausgaben nicht mehr stemmen können, weil ihnen durch Privatisierungen Einnahmen fehlen, entsteht ein gefährliches strukturelles Defizit, das über Jahre hinweg zu einem Verfall der öffentlichen Infrastruktur führen kann.
Risiken für die Pflichtaufgaben – Beispiel: Sanierung von Schulen und Sporthallen
Schulgebäude und Sporthallen sind essenziell für Bildung, Gesundheit und Integration. Wenn jedoch keine Mittel für notwendige Sanierungen vorhanden sind – etwa weil Rücklagen fehlen und laufende Einnahmen aus früheren Vermögenswerten nicht mehr in die kommunale Kasse fließen – bleibt vieles buchstäblich liegen. Die Folgen:
- Bildungsqualität leidet: Undichte Fenster, marode Sanitäranlagen, Schimmelbefall – das ist vielerorts Realität.
- Sicherheitsrisiken: Kinder und Lehrkräfte sind Gefahren ausgesetzt, für die die Kommune haftbar gemacht werden kann.
- Einschränkungen im Sport- und Vereinsleben: Sporthallen, die wegen Einsturzgefahr geschlossen bleiben, treffen Schulen wie auch Vereine.
Die gesetzliche Pflicht zur Unterhaltung von Schulen (§ 79 Schulgesetz MV, § 40 SchulG NRW oder ähnliche Vorschriften je nach Bundesland) wird dadurch unterlaufen – mit potenziell gravierenden rechtlichen Folgen.
Rechtliche Konsequenzen für kommunale Mitarbeiter und Entscheidungsträger
Die bewusste Vernachlässigung notwendiger Investitionen trotz Kenntnis der Pflichtaufgaben kann rechtliche Konsequenzen haben:
1. Strafrechtliche Relevanz
- Untreue (§ 266 StGB): Wer vorsätzlich oder grob fahrlässig Vermögensinteressen der Kommune verletzt, kann sich der Untreue strafbar machen. Das betrifft insbesondere leitende Verwaltungsmitarbeiter oder Bürgermeister, die Vermögenswerte unter Wert verkaufen oder Einnahmen ohne nachhaltiges Konzept privatisieren.
- Verstoß gegen Haushaltsgrundsätze (§§ 82 ff. Gemeindeordnungen): Ein Verstoß gegen die kommunale Haushaltsordnung kann – insbesondere bei Haushaltsüberschreitungen oder Pflichtverletzungen – auch zu disziplinar- oder strafrechtlichen Konsequenzen führen.
2. Schadenersatzpflicht nach dem Beamten- oder Arbeitsrecht
Wenn die Kommune oder das Land durch pflichtwidriges Verhalten einen Schaden erleidet (z. B. weil eine Sanierung aufgeschoben wurde und es durch einen Dachschaden zu erheblichen Folgekosten kommt), kann die handelnde Person unter bestimmten Voraussetzungen regresspflichtig gemacht werden. Dies kann existenzbedrohende Ausmaße annehmen, insbesondere wenn keine Haftpflichtversicherung greift.
Langfristige Folgen: Keine Mittel mehr für freiwillige Leistungen
Wenn Pflichtaufgaben nicht mehr erfüllt werden können, sind freiwillige Leistungen – wie etwa die Förderung von Kultur, Jugendarbeit oder Sportvereinen – in der Regel die ersten Posten, die dem Rotstift zum Opfer fallen. Diese Einsparungen sind jedoch kurzsichtig:
- Vereine übernehmen wichtige gesellschaftliche Funktionen (Integration, Jugendarbeit, Seniorenbetreuung).
- Die Lebensqualität sinkt, was die Abwanderung junger Familien und Fachkräfte begünstigt.
- Die Kommune verliert an Attraktivität – mit langfristigen negativen Folgen für Steuereinnahmen und Entwicklungschancen.
Belastung künftiger Generationen
Ein kommunaler Haushalt, der auf Kosten der Substanz wirtschaftet und notwendige Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Daseinsvorsorge unterlässt, verschiebt die Kosten in die Zukunft. Künftige Generationen zahlen dann den Preis – in Form von:
- höheren Sanierungskosten,
- eingeschränkter Infrastruktur,
- schlechteren Lebensbedingungen,
- und höheren Schulden.
Was bedeutet „sparsame und wirtschaftliche Haushaltsführung“?
Dieser Grundsatz ist in allen Gemeindeordnungen Deutschlands gesetzlich verankert (z. B. § 82 GO NRW, § 70 SächsGemO). Er bedeutet:
- Effizienter Einsatz der Mittel: Mittel sind so einzusetzen, dass mit dem geringstmöglichen Mitteleinsatz der größtmögliche Nutzen für die Allgemeinheit erzielt wird.
- Vermeidung von unnötigen Ausgaben: Prestigeprojekte und überteuerte Beraterverträge widersprechen dem Grundsatz.
- Erhaltung des kommunalen Vermögens: Einnahmen aus Vermögensverkäufen dürfen nicht einfach konsumiert, sondern müssen zur Stärkung der Haushaltslage oder für nachhaltige Investitionen verwendet werden.
Wenn durch politisches Missmanagement oder ideologisch motivierte Privatisierungspolitik die dauerhafte Leistungsfähigkeit der Kommune gefährdet wird, ist dieser Grundsatz verletzt – mit weitreichenden rechtlichen, finanziellen und sozialen Folgen.
Fazit: Privatisieren von Einnahmen, Kommunalisieren von Ausgaben – ein gefährlicher Irrweg
Die kurzsichtige Strategie, Einnahmen auszugliedern und gleichzeitig die Ausgabenlast bei der Kommune zu belassen, führt nicht nur zu einem Verfall der öffentlichen Infrastruktur, sondern kann auch straf- und haftungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Zudem nimmt sie der Kommune langfristig jede Gestaltungsfreiheit – zulasten der Bürgerinnen und Bürger, der Vereine und vor allem der künftigen Generationen.
Eine verantwortungsvolle, sparsame und wirtschaftliche Haushaltsführung ist nicht nur gesetzliche Pflicht, sondern auch Ausdruck von Generationengerechtigkeit. Nur wenn Pflichtaufgaben gesichert und kommunale Einnahmen nachhaltig bewirtschaftet werden, bleibt kommunale Selbstverwaltung mehr als eine formale Hülle.

