Von Rechtsanwältin Brandt
Die Kündigung eines Personalratsmitglieds ist ein rechtlich besonders sensibler Vorgang. Denn wer in den Personalrat gewählt wurde, steht unter einem erweiterten Kündigungsschutz. Dieser Schutz dient dem Ziel, die Unabhängigkeit und Funktionsfähigkeit der Personalvertretung zu gewährleisten. Doch bedeutet das, dass ein Personalratsmitglied unkündbar ist? Nein – aber die Hürden für eine Kündigung liegen deutlich höher als bei anderen Beschäftigten.
In diesem Beitrag erfahren Sie, wann eine Kündigung zulässig ist, welche besonderen Voraussetzungen gelten und in welchen Fällen eine Kündigung unzulässig oder unwirksam ist.
1. Gesetzliche Grundlage: § 108 BPersVG und Landespersonalvertretungsgesetze
Die rechtlichen Schutzvorschriften für Personalratsmitglieder finden sich in:
- § 108 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) für den Bund
- den jeweiligen Landespersonalvertretungsgesetzen (LPVG) für die Länder und Kommunen
Die Grundstruktur ist jedoch überall ähnlich:
Ein Personalratsmitglied darf während seiner Amtszeit und bis zu einem Jahr nach deren Ende nicht ordentlich gekündigt werden. Dieser nachwirkende Kündigungsschutz sichert, dass niemand wegen seiner Tätigkeit im Personalrat berufliche Nachteile erleidet.
2. Ordentliche Kündigung: In der Regel unzulässig
Während der Amtszeit ist eine ordentliche Kündigung eines Personalratsmitglieds grundsätzlich ausgeschlossen.
Das gilt sowohl für Kündigungen aus betriebsbedingten, verhaltensbedingten als auch personenbedingten Gründen.
➡️ Beispiel:
Ein Personalratsmitglied darf nicht gekündigt werden, weil die Behörde Stellen abbauen oder organisatorisch umstrukturieren will.
Auch eine schlechte Leistung oder häufige Krankmeldungen rechtfertigen in der Regel keine Kündigung während der Amtszeit.
3. Außerordentliche Kündigung: Nur mit Zustimmung des Personalrats
Eine außerordentliche (fristlose) Kündigung bleibt möglich – allerdings nur unter sehr engen Voraussetzungen und mit Zustimmung des Personalrats selbst (§ 108 Abs. 2 BPersVG).
Der Arbeitgeber muss also zunächst den Personalrat über die beabsichtigte Kündigung informieren und um Zustimmung bitten.
Wird die Zustimmung verweigert, kann der Arbeitgeber beim Verwaltungsgericht die Ersetzung der Zustimmung beantragen.
Eine fristlose Kündigung kommt nur dann in Betracht, wenn ein wichtiger Grund nach § 626 BGB vorliegt, also Tatsachen, die es dem Arbeitgeber unzumutbar machen, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.
Typische Fälle, in denen eine außerordentliche Kündigung möglich ist:
- Schwerwiegende Pflichtverletzungen, etwa Diebstahl, Betrug oder Körperverletzung
- Geheimnisverrat oder unerlaubte Datenweitergabe
- Massive Beleidigungen oder tätliche Angriffe gegenüber Vorgesetzten oder Kollegen
- Amtsmissbrauch im Personalrat, z. B. Manipulation von Sitzungsprotokollen oder Vergünstigungen für sich selbst
4. Nachwirkender Kündigungsschutz – auch nach dem Mandat
Der besondere Kündigungsschutz endet nicht automatisch mit dem Ende der Amtszeit.
Vielmehr gilt ein nachwirkender Kündigungsschutz von einem Jahr.
In dieser Zeit darf das ehemalige Personalratsmitglied ebenfalls nicht ordentlich gekündigt werden.
Nur eine außerordentliche Kündigung bleibt weiterhin zulässig, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.
Dieser Schutz soll verhindern, dass ein Arbeitgeber abwartet, bis das Mandat endet, um dann eine „nachträgliche Revanchekündigung“ auszusprechen.
5. Wann eine Kündigung nicht zulässig ist
Eine Kündigung ist unzulässig oder unwirksam, wenn:
- sie ohne Zustimmung des Personalrats ausgesprochen wurde,
- kein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB vorliegt,
- der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt wurde,
- der Kündigungsgrund im Zusammenhang mit der Personalratstätigkeit steht,
- der nachwirkende Kündigungsschutz (§ 108 Abs. 2 Satz 2 BPersVG) noch läuft.
Ebenso kann eine Kündigung wegen formeller Fehler (z. B. fehlende oder verspätete Anhörung) scheitern.
In der Praxis werden viele Kündigungen von Personalratsmitgliedern später gerichtlich aufgehoben.
6. Pflichten des Personalratsmitglieds – Grenzen des Schutzes
Der Sonderkündigungsschutz entbindet Personalratsmitglieder nicht von ihren arbeitsvertraglichen Pflichten.
Sie müssen weiterhin:
- ihre dienstlichen Aufgaben erfüllen,
- die Verschwiegenheitspflicht wahren,
- das Neutralitätsgebot einhalten,
- und dürfen die Personalratstätigkeit nicht zur eigenen Vorteilsnahme missbrauchen.
Wer seine Stellung ausnutzt oder das Vertrauen des Arbeitgebers massiv verletzt, riskiert den Verlust des besonderen Schutzes.
7. Was Personalratsmitglieder bei einer Kündigungsandrohung tun sollten
Wer als Personalratsmitglied eine Kündigungsandrohung oder eine Anhörung zu einer beabsichtigten Kündigung erhält, sollte sofort rechtlichen Rat einholen.
Denn die Fristen für Widerspruch und gerichtliche Schritte sind kurz – in der Regel drei Wochen ab Zugang der Kündigung.
Ein Anwalt für Arbeitsrecht kann:
- die formelle Wirksamkeit der Kündigung prüfen,
- die Beteiligungsverfahren des Personalrats kontrollieren,
- und die Ersetzung der Zustimmung ggf. abwehren.
Je früher anwaltliche Unterstützung erfolgt, desto größer sind die Chancen, das Arbeitsverhältnis zu sichern.
8. Fazit: Starker Schutz – aber kein Freibrief
Personalratsmitglieder genießen einen besonderen Kündigungsschutz, um ihre Aufgaben unabhängig ausüben zu können.
Eine ordentliche Kündigung ist während der Amtszeit und bis zu einem Jahr danach grundsätzlich ausgeschlossen.
Nur bei schwerwiegendem Fehlverhalten und nach einem förmlichen Zustimmungsverfahren kann eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden.
Wer betroffen ist – als Arbeitgeber oder Beschäftigter – sollte sich frühzeitig juristisch beraten lassen, um die rechtlichen Risiken zu kennen und formelle Fehler zu vermeiden.
Weitere interessante Beiträge:
Kündigung erhalten – welche Rechte habe ich?
Abfindung nach Kündigung – wann habe ich Anspruch und wie hoch fällt sie aus?
Kündigungsschutzklage: Fristen, Kosten und die Chancen auf eine Abfindung
Dienstwagen im Arbeitsverhältnis
Kündigung, Widerspruch, Einspruch und Co.

