Einleitung: Wenn Amtsautorität zur Versuchung wird
Kommunale Ämter genießen ein hohes Maß an Vertrauen. Bürgermeister, Amtsleiter oder Sachgebietsverantwortliche verfügen über erhebliche Entscheidungsspielräume – etwa bei Personalfragen, bei der Auftragsvergabe oder in der Dokumentation von Sitzungen.
Doch wo Macht auf mangelnde Kontrolle trifft, droht Amtsmissbrauch. Besonders heikel sind Fälle, in denen Sitzungsprotokolle manipuliert, Vergünstigungen für sich selbst oder Untergebene gewährt oder Zulagen ohne rechtliche Grundlage gezahlt werden.
Dieser Beitrag zeigt, wo die rechtliche Grenze zwischen Verwaltungsfehler und Amtsmissbrauch verläuft, welche straf- und disziplinarrechtlichen Folgen drohen und wann Fachkräftezulagen zulässig sind – und wann nicht.
1. Was bedeutet Amtsmissbrauch in der Kommune?
Der Begriff Amtsmissbrauch ist kein eigener Straftatbestand, sondern beschreibt ein pflichtwidriges Verhalten eines Amtsträgers, das sein Amt und seine Befugnisse zweckwidrig nutzt.
Juristisch werden solche Handlungen meist unter folgenden Vorschriften erfasst:
- § 331–335 StGB – Vorteilsannahme und Bestechlichkeit
- § 266 StGB – Untreue
- § 267 StGB – Urkundenfälschung (z. B. bei manipulierten Sitzungsprotokollen)
- § 258a StGB – Strafvereitelung im Amt
- § 339 StGB – Rechtsbeugung (bei Amtsträgern mit Entscheidungsbefugnissen)
In der Praxis betrifft Amtsmissbrauch in Kommunen oft das Kommunalrecht, das Haushaltsrecht und das Disziplinarrecht des öffentlichen Dienstes.
2. Manipulation von Sitzungsprotokollen – schwerer Verstoß gegen Transparenzpflichten
Ein besonders schwerwiegender Fall des Amtsmissbrauchs ist die Manipulation von Sitzungsprotokollen, z. B. im Gemeinderat oder Hauptausschuss.
Beispiele aus der Praxis:
- Streichung von kritischen Wortmeldungen einzelner Stadtvertreter
- Änderung von Abstimmungsergebnissen
- „Nachträgliche Korrektur“ von Beschlüssen ohne erneute Abstimmung
Ein solches Verhalten kann gleich mehrere Tatbestände erfüllen:
👉 Urkundenfälschung (§ 267 StGB), wenn ein amtliches Protokoll bewusst inhaltlich verändert wird.
👉 Verletzung der Amtspflicht (§ 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG) – mit möglicher Schadensersatzpflicht.
👉 Disziplinarverstoß, der zu Entlassung, Entfernung aus dem Dienst oder Kürzung der Pension führen kann.
Das Kommunalrecht verlangt Transparenz und Nachvollziehbarkeit: Protokolle dienen der demokratischen Kontrolle. Ihre Manipulation ist daher ein massiver Angriff auf die Rechtmäßigkeit der kommunalen Selbstverwaltung.
3. Vergünstigungen für sich selbst oder Untergebene
Ebenfalls kritisch: die Gewährung von Vorteilen oder Sonderrechten an sich selbst oder an Mitarbeitende ohne objektive Grundlage.
Typische Konstellationen:
- Bevorzugung bei der Zuteilung kommunaler Wohnungen oder Fahrzeuge
- Übernahme privater Kosten durch die Kommune
- Dienstreisen ohne dienstlichen Anlass
- Gewährung von Zulagen oder Prämien ohne rechtliche Grundlage
Solche Vergünstigungen verletzen das Gebot der Sachlichkeit und Gleichbehandlung (§ 7 BeamtStG). Sie sind zudem oft haushaltsrechtlich unzulässig, da öffentliche Mittel nur auf Grundlage eines wirksamen Haushaltsplans und nach rechtlich zulässigen Kriterien ausgegeben werden dürfen.
4. Fachkräftezulage im öffentlichen Dienst – wann erlaubt, wann nicht?
Die sogenannte Fachkräftezulage ist ein Instrument, um qualifiziertes Personal in der Verwaltung zu halten oder zu gewinnen. Doch ihre Vergabe ist streng geregelt.
Zulässig ist eine Fachkräftezulage nur, wenn:
- eine rechtliche Grundlage existiert (z. B. § 42 BBesG oder eine kommunale Satzung),
- ein konkreter Fachkräftemangel nachgewiesen ist,
- eine sachliche Begründung dokumentiert wird (z. B. besondere Marktbedingungen, Vermeidung von Abwanderung),
- die Gleichbehandlung aller vergleichbaren Beschäftigten gewährleistet bleibt.
Nicht zulässig ist sie:
- wenn sie willkürlich oder selektiv gewährt wird,
- wenn Vorgesetzte sich selbst oder engen Mitarbeitenden Vorteile verschaffen,
- wenn sie nicht haushaltsrechtlich gedeckt ist,
- wenn keine objektive Vergleichbarkeit der Funktionen besteht.
Ein Bürgermeister oder Amtsleiter, der eigenmächtig Zulagen beschließt, verletzt Haushaltsrecht und Dienstrecht.
Im schlimmsten Fall liegt eine Untreue (§ 266 StGB) vor – etwa dann, wenn Haushaltsmittel zweckwidrig eingesetzt werden, um bestimmten Personen Vorteile zu verschaffen.
5. Disziplinar- und Strafrechtliche Folgen
Ein Amtsmissbrauch zieht regelmäßig dienstrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen nach sich:
| Art der Pflichtverletzung | Mögliche Folgen |
|---|---|
| Manipulation von Protokollen | Strafanzeige wegen Urkundenfälschung, Entfernung aus dem Dienst |
| Unzulässige Zulagen | Disziplinarverfahren, Rückforderung der Zahlungen, ggf. Untreue |
| Vorteilsgewährung | Strafverfahren wegen Bestechlichkeit oder Vorteilsannahme |
| Verstoß gegen Haushaltsrecht | persönliche Haftung nach § 75 GO M-V / § 94 GO anderer Länder |
Auch kommunale Mandatsträger (z. B. Bürgermeister) haften persönlich, wenn sie durch pflichtwidriges Verhalten einen Schaden verursachen.
Zudem droht ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft, das bei belegtem Amtsmissbrauch nicht selten zu einer Anklage führt.
6. Prävention: Transparente Verwaltung und klare Zuständigkeiten
Die beste Verteidigung gegen Amtsmissbrauch ist Prävention.
Kommunen sollten sicherstellen:
- Klare Zuständigkeits- und Vertretungsregelungen (Organisationsverfügung)
- Vier-Augen-Prinzip bei finanziellen Entscheidungen
- Protokollkontrolle durch unabhängige Gremien
- Dokumentationspflichten in Personal- und Haushaltsangelegenheiten
- Regelmäßige Schulungen zu Korruptions- und Vergaberecht
Ein funktionierendes internes Kontrollsystem schützt nicht nur die Kommune, sondern auch die verantwortlichen Amtsträger vor dem Verdacht des Missbrauchs.
7. Wann anwaltliche Unterstützung erforderlich ist
Sobald ein Verdacht auf Amtsmissbrauch, Verstoß gegen Haushaltsrecht oder unzulässige Zulagen im Raum steht, sollte unverzüglich anwaltliche Beratung eingeholt werden.
Ein erfahrener Rechtsanwalt kann:
- die Rechtmäßigkeit von Zulagen prüfen,
- Protokollierungs- und Dokumentationsfehler bewerten,
- im Falle einer Strafanzeige oder Disziplinaruntersuchung rechtlich verteidigen,
- Schadensabwehrstrategien für die Kommune entwickeln.
Fazit: Amtsmissbrauch ist kein Kavaliersdelikt
Die Versuchung, Amtsbefugnisse zum eigenen Vorteil oder zugunsten nahestehender Personen zu nutzen, ist groß – die Folgen sind jedoch gravierend.
Manipulierte Protokolle, unzulässige Zulagen oder selektive Vergünstigungen untergraben nicht nur das Vertrauen in die Verwaltung, sondern stellen oft auch strafrechtlich relevantes Verhalten dar.
Kommunen sollten daher auf rechtliche Transparenz und Kontrolle setzen – und Amtsträger im Zweifel rechtzeitig juristisch beraten lassen.
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