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Strafrecht

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Strafverteidigungskosten als verschuldensunabhängige Strafe?

In vielen Fällen werden nach geltendem Recht Verteidigungskosten nicht und im Übrigen nur in sehr begrenztem Umfang erstattet, wenn jemand zu Unrecht erfolgt wurde. Diese Regelungen sind ungerecht und müssten vom Gesetzgeber dringend reformiert werden.

Hat die Staatsanwaltschaft einen Anfangsverdacht, so reicht dies aus um tätig zu werden. Ein Anfangsverdacht ist nicht viel mehr als ein Gerücht. So schnell wird man zum Beschuldigten im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren.

Ob überhaupt aus einem unbescholtenen Staatsbürgern ein Beschuldigter werden soll, eine Person also, gegen die ein Strafverfahren geführt wird, hängt davon ab, wie Staatsanwälte bei der Prüfung der Frage eines Anfangsverdachts handeln.

Ein einmal begonnenes Strafverfahren läuft immer Gefahr, eine gewisse Eigendynamik zu entwickeln, insbesondere mit zunehmender Verfahrensdauer, deren Logik oft darin besteht, die ursprünglich aufgestellte Ermittlungshypothese zu bestätigen. Die gesetzliche Regelung der Strafprozessordnung, wonach Staatsanwaltschaft und Polizei auch entlastende Aspekte zu ermitteln haben hilft in vielen Fällen den Beschuldigten nicht in ausreichender Weise. Sind Staatsanwaltschaft und/oder Polizei von der Schuld des Verfolgten überzeugt, so gilt Ihr Interesse in der Praxis jedenfalls meist dann nicht mehr der Frage, ob die gefundenen Beweismittel die ursprüngliche Ermittlungshypothese entkräften können.

Der Gesetzgeber stellt trotz allem die normativ starke geformte These, im Ermittlungsverfahren sei es jedermann zumutbar, auf die Neutralität der Strafverfolgungsbehörden zu vertrauen, auf. Einige Sonderkonstellationen seien hiervon ausgenommen, zu denen vor allem die Untersuchungshaft gehört.

Im Grundsatz hat keinen Anspruch auf Erstattung seiner Verteidigungskosten, wer sich verteidigen lässt, auch wenn die Einstellung des Ermittlungsverfahrens wegen erwiesener Unschuld erfolgt.

Es wird also ein Bürger durch den Staat gegen seinen Willen zu Unrecht zum Beschuldigten gemacht und, vielleicht auch über Jahre hinweg, gegen ihn ermittelt. Nachdem eventuell seine Wohn-Geschäftsräume durchsucht worden sind und möglicherweise seiner Bankkonten vorerst gepfändet wurden, fallen die Kosten der Strafverteidigung dieses Bürgers ihm selbst zur Last.

Zu raten sei im Übrigen auch jeden, wenn er sich irgendwie leisten kann, als Beschuldigter in einem Strafverfahren niemals auf einen Verteidiger zu verzichten.

 

Je früher in einem Ermittlungsverfahren ein Verteidiger eingeschaltet wird, desto besser. Denn gerade zu Beginn des Ermittlungsverfahrens kann der Verteidiger am meisten bewirken. Er kann Zweifel sähen. Er kann frühzeitig auf Weichenstellungen hinwirken.

 

Gute und engagierte Strafverteidigung kostet Geld. Stundensätze zwischen 300 und 400 € zuzüglich Mehrwertsteuer sind hier marktüblich. Erklärt sich der Staat zur Kostenübernahme bereit, dies meist erst nach einer öffentlichen Hauptverhandlung und in diesem meist auch erst dann, wenn diese mit einem Freispruch endet, wird durch ihn nur ein Bruchteil der Kosten erstattet. Endet eine Hauptverhandlung mit einem Freispruch, soweit die meist langwierige Verteidigung offensichtlich notwendig. Wer sich nicht leisten kann, seine Verteidigung selbst zu bezahlen, muss auf die Objektivität seiner Strafverfolger oder auf pro bono arbeitende Strafverteidigung hoffen.

 

Nehmen wir einmal ein Beispiel. Einem Bürger wird in der Vorwurf des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gegenüber erhoben. Er muss sich vor der großen Strafkammer am Landgericht verantworten. Es droht eine Freiheitsstrafe von mehr als 5 Jahren. Nach einer knapp 5 Stunden dauernden Hauptverhandlung erfolgt der Freispruch. In der Regel erhält der Beschuldigte einen Betrag zwischen 320 und 440 € vom Staat zurück. Sämtliche Kosten zur Vorbereitung des Verfahrens sind nicht erfasst. Hierfür zahlt die Staatskasse Pauschalgebühren von einigen 100 €. Eine gewissenhafte Verfahrensvorbereitung benötigt aber regelmäßig trage-oder wochenlanger Arbeit.

 

Wer sich also leisten kann, bezahlt sein Verteidiger deshalb nach Stunden. Dies auch am Anfang der Ermittlungen im Vorverfahren. Im komplexeren Verfahren ist der Anfall von hunderten Arbeitsstunden nicht ungewöhnlich. Endet das Verfahren mit einer Einstellung oder einem Freispruch, sind diese Kosten Ausdruck eines allgemeinen Lebensrisikos. Sie sind Folge eines unberechtigt geltend gemachten Strafanspruchs der Allgemeinheit. Grundsätzlich müssten sie von der Allgemeinheit daher auch getragen werden. Allein durch das Ermittlungsverfahren ist der Beschuldigte als solche schon grundlos genug gestraft. Schlicht und ergreifend ungerecht ist es, ihn auch noch mit seinen Verteidigungskosten zu belasten. Doch leider ist die Gesetzeslage so.

 

Trotz Kostenfolge und Kostenbelastung ist jedem Beschuldigten in einem Ermittlungsverfahren zu raten, so frühzeitig wie irgend möglich, einen Verteidiger zu beauftragen. Spätestens sollte dies dann erfolgen, wenn eine Ladung zu Beschuldigten Vernehmung zugestellt wird. Sich selbst zu verteidigen, ist selten eine gute Idee. Es ist immer besser den Verteidiger für sich sprechen zu lassen. Dieser gibt nur das notwendige und das für einen Sinnvolle preis.